Alte Hüllen für neue Kerne, Bauten und ihre Bestandteile, Kreativität und Kritik
Die Entkernung kann man innerhalb des Bauwesens im Grunde genommen in zwei Varianten unterscheiden. Zum einen in die für einen endgültigen Abbruch und Abriss vorbereitenden Maßnahmen wie etwa den vorherigen Abbau und Abtransport von Schadstoffen aller Art (z.B. asbesthaltige Böden, Wände, Stützen und Zwischendecken). Zum anderen die auf dauerhafte Erhaltung zielende Entkernung, welche vorrangig historisch und architektonisch wertvolle sowie denkmalgeschützte Fassaden beibehalten, das komplette „Innenleben“ eines Hauses oder Gebäudes jedoch energetisch, technisch und atmosphärisch auf den neusten Stand bringen soll. Während die erstgenannte Entkernung in der Regel auf die Gewinnung von neuem Bau- oder Nutzland zielt, hat die zweite Zielsetzung im Rahmen der Renaissance der Innenstädte und des dortigen Altbaubestands in den letzten Jahren ebenfalls ökonomisch deutlich an Bedeutung gewonnen. Neben den allgemein öffentlich eher positiv bewerteten Aspekten wie etwa demjenigen der effektiveren Energieversorgung in derart entkernten Häusern werden manche Begleitumstände auch teils sehr kritisch gesehen. Im anglofonen Ausland spricht man mitunter bereits vom sog. „facadism“ (in etwa „Fassadismus“), welcher die ästhetisch unpassende Verbindung einer authentischen Gebäudefront mit neu errichteten Bauteilen kennzeichnen soll.
Abriss oder Neunutzung: Das ist bei der Entkernung die alles entscheidende Frage
Auch hierzulande lassen sich beide Vorgehensweisen vielfach beobachten, so wurden beispielsweise in Ostdeutschland ganze Stadtviertel mit mehrstöckigen Plattenbauten vor ihrem Abriss sowohl hinsichtlich ihrer wiederverwertbaren Bau- als auch der zu entsorgenden Schadstoffe gründlich entkernt. In Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern dienen die entstandenen Freiflächen meist der Renaturierung, seltener auch als Baugebiete für gänzlich neu angelegte Einfamilienhaussiedlungen. Im geringeren Ausmaß fand diese auf Neubau ausgelegte Entkernung auch in den ehemaligen Industrieregionen Westdeutschlands wie dem Ruhrgebiet und dem Saarland statt. Dort werden auf dem Gelände ehemaliger Zechen und Fabriken nach umfangreichen Umbaumaßnahmen heute häufig die einstigen Fertigungsgebäude als Kultur-, Dienstleistungs- und Forschungszentren oder auch für Wohnzwecke genutzt. Für Komplettentkernungen zwecks Sicherung historisch repräsentativer Bausubstanz gibt es ebenfalls einige bekannte deutsche Beispiele. So etwa in der gesamten Leipziger Altstadt, im Alten Bahnhof in Braunschweig, im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main, an der Reichsbahndirektion in Köln, im Reichstagsgebäude samt neuer Kuppel in Berlin sowie im von 1876 bis 1880 erbauten ehemaligen Parlamentsgebäude „Ständehaus“ in Düsseldorf, welches nach einer allumfassenden Entkernung und Neugestaltung zwischen 1996 und 2001 heute die Abteilung Zeitgenössische Kunst der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen beherbergt.
Vorsicht vor Kostenexplosion bei Bauklassikern: Expertise und Fachwissen sichern
Private Bauherren, die mit dem Gedanken spielen, ihr zukünftig selber genutztes Eigenheim für höheren Wohnkomfort und bessere Energieeffizienz zu entkernen, sollten sich jedoch stets vorher die recht hohen Kosten, Aufwendungen und Anstrengungen einer solchen Aufgabe vergegenwärtigen. Der meist notwendige Einsatz spezieller Maschinen und Werkzeuge sowie die häufig anfallende Entsorgung schädlicher Stoffe treiben den Preis schnell in die Höhe, auch die fachgerechte Rekonstruktion historischer Bautechniken wie etwa Fachwerk ist kein billiges Unterfangen. Vor allem wenn Häuser und Gebäude aus statischen Gründen während der Maßnahmen oder auch danach dauerhaft abgestützt werden müssen wird es teurer, hierbei sollte man also deshalb ausreichend Zeit in die vorherige Planung von Budget, Bauzeit und beteiligten Bauunternehmen investieren. In Deutschland haben sich viele Fachfirmen aufgrund der guten Auftragslage in den letzten Jahren auf Entkernung, Entsorgung und Sanierung spezialisiert, oftmals bieten sie Paketlösungen an, die alle drei Baumaßnahmen zu einem Festpreis beinhalten. Um nicht nach Abschluss der Arbeiten sein „blaues Wunder“ in Form unsicherer oder ungenügender Ausführung zu erleben, sollte man sich bei der Beauftragung entsprechender Firmen möglichst an erfahrene und gut beleumdete Unternehmen mit vielen einschlägigen Referenzen wenden. Informationen hierzu erteilen in der Regel die lokalen und regionalen Industrie- und Handelskammern, die kommunalen Bauämter oder auch der 1951 gegründete „Deutsche Abbruchverband e.V.“ (DA) mit Sitz in Köln, dessen 550 Mitglieder sowohl aus den Bereichen Bauwerks- und Industrieabbruch, dem Ingenieurwesen als auch aus dem mineralischen Bauschutt-Recycling und Schadstoffsanierung kommen.
• Eine Entkernung kann sowohl einem Abriss als auch einer Neunutzung vorausgehen
• Vor einem Abriss werden wiederverwertbare Materialien und Schadstoffe getrennt und entsorgt
• Bei beabsichtigter Neunutzung des Gebäudes bleibt oft nur die Fassade und das Dach erhalten
• Nach Entkernungen weisen Häuser und Gebäude meist höhere Energieeffizienz auf
• Die Wiederentdeckung der Innenstädte führt auch zu manchen bedenklichen Bausünden
• Entkernungen sind teuer und aufwendig, man sollte nur Fachleuchte damit beauftragen
